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Gute Entscheidungen treffen

Um bessere Entscheidungen zu treffen, lohnt sich zum Einstieg ein Blick auf die Hürden, die uns dabei im Weg stehen. In Decisive werden sie direkt den klassischen Stufen eines Entscheidungsprozesses zugeordnet:

  • Wir werden mit einer Situation konfrontiert, die eine Entscheidung erfordert. Doch durch sogenanntes „narrow framing“ ziehen wir nur eine sehr kleine Anzahl an Entscheidungsoptionen in Betracht.
  • Wir analysieren unsere Handlungsalternativen, sind dabei aber nicht objektiv: Wir sehen unbewusst vor allem die Argumente, die uns in dem bestätigen, was wir schon kennen ("Confirmationen Bias").
  • Wir entscheiden uns, aber bei der Entscheidung beeinflussen uns kurzfristige Ängste und tiefliegende Glaubenssätze.
  • Wir setzen die Entscheidung um und gehen davon aus, dass alle unsere Annahmen und Vorhersagen eintreffen. Das ist aber nicht immer der Fall und es kann sinnvoll sein, die Entscheidung nochmal zu überprüfen.

Zu jeder Stufe des Entscheidungsprozesses liefert uns das Buch verschiedene Vorschläge, wie wir diese Hürden nehmen können und zu besseren Ergebnissen kommen.

 

"Widen your Options"

Ziel ist es, vor einer Entscheidung die Scheuklappen abzulegen und möglichst mehrere (ernsthafte) Alternativen zu erarbeiten. Die Mehrheit der Entscheidungssituationen präsentiert sich zu Beginn sehr digital: "Soll ich oder soll ich nicht?", ist häufig die Frage. Gleichzeitig ist diese Frage ein guter Indikator, dass es sich lohnt, mehr über weitere Alternativen nachzudenken. 

Zum Start schlagen die Autoren vor, sich mindestens die Opportunitätskosten einer Entscheidung bewusst zu machen: Eine Investition an einer für sich betrachtet sinnvollen Stelle, schränkt unsere Reaktionsfähigkeit bei zukünftigen, noch unbekannten, aber eventuell attraktiveren Optionen ein.

Ein weiterer Tipp ist, so zu tun, als stünde die gerade diskutierte Option gar nicht zur Verfügung. Welche Maßnahmen würden wir ergreifen, wenn wir nicht das Angebot unseres Dienstleisters hätten, das neue (und teure) ERP-Systeme einzuführen? Besteht eventuell doch die Möglichkeit unser aktuelles ERP-System so weiterzuentwickeln, dass unsere Anforderungen erfüllt sind? Oder: Reicht erst einmal ggf. ein neues Plugin? 

Auch sollte man sich fragen, ob die „Entweder-Oder“-Situation tatsächlich besteht: Kann man vielleicht doch beides vereinen? So können Frontbildungen vermieden werden und die Parteien werden zu Kompromissen motiviert. 

Aber auch, wenn wir mit den Reflexionsfragen nicht weiterkommen, müssen wir nicht gleich aufgeben. Wir können uns die Erfahrung anderer zunutze machen: 

  • Stand schon jemand vor einem ähnlichen Problem und wenn ja, wie wurde es gelöst? Die Empfehlung ist hier ins direkte Gespräch zu gehen und von Fehlern, wie auch Erfolgen, Handlungsempfehlungen für den eigenen Kontext abzuleiten.
  • Benchmarking: Neben dem persönlichen Austausch bietet sich je nach Entscheidungskontext auch an, generelle Empfehlungen in Form von KPI, Frameworks und „Best Practice“ zu berücksichtigen. Gerade im Unternehmenskontext stehen uns hier viele Quellen zur Verfügung.
  • Selbst wenn das eigene Problem so speziell ist, dass ich die Erste bin, die sich damit beschäftigen muss, lohnt es sich nach Analogien zu suchen: Obwohl ich als Unternehmen keine physischen Produkte verkaufe, könnten die Mechanismen aus klassischen Online-Shops auch für meine Service-Produkte hilfreich sein. Empfehlungsfeatures und Kundenreviews könnten auch mir helfen, meine Dienstleistungen besser zu verkaufen. Die Analogien können sich dabei immer weiter von meinem eigenen Kontext entfernen („laddering up“)
  • Ein weiterer Tipp ist es, nach „bright spots“ zu suchen. Also Situationen, in denen das Problem nicht auftritt oder gut gelöst wird. Was können wir davon lernen und in unsere Entscheidung mit einbeziehen? Das Konzept der „bright spots“ greifen die Autoren auch in ihrem Buch Switch auf, das wir hier auf dem Blog ebenfalls vorstellen (Weiter zur Review von Switch)

Steht man immer wieder vor ähnlich gelagerten Entscheidungen, bietet sich eine Checkliste an, die man für die konkrete Situation prüfen kann. Im Buch werden diese Listen auch als „Playlist“ bezeichnet.

Müssen z.B. immer wieder Projekte auditiert werden, hilft eine Liste der typischen Problemherde in Projekten. Neben dem Projektmanagement mit Aspekten wie Projektstrukturen, Methodik oder Einbindung in die Gesamtorganisation, lohnt sich zum Beispiel auch immer ein Blick in die Fachlichkeit oder die IT-Architektur mit all ihren Facetten. Auf diese Weise weitet man den Blick und erkennt, dass die Ursachen für Problemen an ganz anderer Stelle liegen, als zu Beginn vermutet. Somit zieht man auch andere Handlungsoptionen in Betracht. (Näheres dazu im Artikel "Raus aus dem Nebel")

Nachdem wir nun dafür gesorgt, haben, dass uns mehrere valide Handlungsoptionen vorliegen, gehen wir in die nächste Stufe des Entscheidungsprozesses. Dabei geht es darum, die Alternativen möglichst objektiv zu beurteilen. Die Brüder Heath stellen daher das Kapitel unter die folgende Überschrift:

"Reality test your asumptions"

Unser Gehirn hat die Angewohnheit, die Welt immer genau so zu interpretieren, wie wir sie uns vorstellen. Warum aber Annahmen treffen, wenn wir harte Fakten ermitteln können oder sogar selbst Dinge vorab ausprobieren können?  

Bei der Bewertung der Entscheidungsoptionen empfiehlt Decisive wieder verschiedene Maßnahmen: 

Intuitiv suchen wir häufig nur nach Belegen für unsere eigenen Thesen. D.h. wir nehmen oft nur die Informationen wahr bzw. bewerten sie so, dass sie unseren Wunsch unterstützen. Um diesen Mechanismus auszuschalten, schlagen die Autoren vor, einfach auf das Gegenteil unserer bevorzugten Alternative zu prüfen.

Aber warum interpretieren, wenn man auch einfach etwas ausprobieren kann? In der StartUp-Szene - und immer häufiger auch darüber hinaus - ist daher Design Thinking (Design Thinking Crash-Kurs) eine gern genutzte Methode, um in schnellen Experimenten Hypothesen zu überprüfen, daraus zu lernen und in der nächsten Iteration anzupassen. Haben wir ausreichend Informationen in Experimenten gesammelt, so kann eine deutlich fundiertere Entscheidung getroffen werden.

Die Suche nach belastbaren Indikationen für unsere Annahmen, füllt einen kompletten Abschnitt im Buch und gibt uns den Tipp, wie man am besten hilfreichen Input von Expertinnen und Experten erhält:

So sollten wir nicht Rat für unseren konkreten individuellen Fall einholen, sondern uns zu generellen Erfolgsraten für vergleichbare Vorhaben informieren. Sonst besteht die Gefahr, dass man den individuellen Umständen (Besonders erfolgsversprechende Idee! Bestes Gründer-Team ever!) ein zu hohes Gewicht bemisst, als die allgemeinen Erfolgsaussichten von Start-Ups es üblicherweise hergeben.  

Gute Fragen an Expertinnen und Experten zeichnen sich dadurch aus, dass wir erfahren, welche Einflussfaktoren am stärksten wirken – positiv wie negativ. 

So gerüstet mit objektiven Fakten steht der Entscheidungsfindung eigentlich nichts mehr im Wege, oder?

"Attain distance before deciding"

Die Unsicherheit, die mit Entscheidungen verbunden ist, führt häufig zu einem Mix aus Emotionen: Angst vor derKommunikation der Entscheidung und den kurzfristigen Folgen oder Angst vor dem Verlassen der Komfortzone und dem Verlust von Bestehendem. 

Einige Methoden, um den Einfluss der Emotionen zu kontrollieren, sind folgende:

  • 10/10/10-Regel: Wie fühle ich mich 10 Minuten nach der Entscheidung, wie vermutlich in 10 Monaten und wie in 10 Jahren? Häufig zeigt sich bei dieser Frage, dass eher die kurzfristige Unannehmlichkeit uns davon abhält, die richtige Entscheidung zu treffen, da der Blick auf mögliche Folgen in 10 Monaten oder Jahren weit weniger dramatisch ist, als es sich im Moment der Entscheidung anfühlt.
  • Außenperspektive einnehmen: Wie würde ein Nachfolger in meiner Position entscheiden? Was würden mir meine Freunde oder Kolleginnen raten? Diese Fragen helfen uns, emotionalen Ballast auszublenden und objektiver zu entscheiden. 

Sollte trotz dieser Maßnahmen die Entscheidung noch immer schwerfallen, so kann dies ein Indikator dafür sein, dass die Entscheidung für uns wichtige Prinzipien berührt oder sogar einen Wertekonflikt aufzeigt. In dem Fall geht es dann nicht um die objektiven Pros und Contras der Alternativen, sondern wir müssen uns auf Ebene der Werte entscheiden. Bei einer Entscheidung für eine neue berufliche Position kann ein neuer Job lange ersehnte Karrierechancen und Herausforderungen bieten. Allerdings können sich meine Lebensumstände inzwischen so geändert haben, dass Stabilität und Planbarkeit einen höheren Stellenwert einnehmen. Dieser Widerspruch muss dann auch genau auf dieser Ebene entschieden werden.

"Prepare to be wrong"

Der letzte Abschnitt des Buches beschäftigt sich mit der Zeit nach der Entscheidung. Kernaussage ist, dass wir die Entwicklung nach einer Entscheidung aufmerksam im Blick zu behalten sollten:

So wird die Entscheidung Kodaks, weiter auf klassische Filme und nicht digitale Fotografie zu setzen, genauer analysiert: Zum Zeitpunkt der initialen Entscheidung seien die richtigen Schlüsse gezogen worden: Anfangs war die Qualität der digitalen Fotos und die Möglichkeit digitale Bilder zu präsentieren der klassischen Fotografie in keiner Weise gewachsen. Mit der Zeit hatte aber eine rasante Entwicklung eingesetzt. Hilfreich hätte beispielsweise ein Triggerpunkt sein können: Wenn mehr als 10% der Menschen ihre Zufriedenheit mit digitaler Fotografie bekunden, bewerten wir die Situation erneut. 

Zu viel Input auf einmal? Vielleicht hilft als Gedankenstütze für die Tipps aus dem Buch die Abkürzung WRAP, die uns an die vier Schritte erinnern soll: 

  • Widen you options 

  • Reality-Test your assumptions 

  • Attain Distance before deciding 

  • Prepare to be wrong 

Diese Schritte garantieren nicht, dass wir immer die richtige Entscheidung treffen. Sie leiten uns aber an, den Prozess so zu gestalten, dass wir möglichst objektiv bleiben. 

In diesem Sinne: Viel Erfolg beim WRAPen Eurer Entscheidungen!