Dass Veränderungen durch IT-Projekte angestoßen werden, ist nicht ungewöhnlich. Neue IT-Systeme bedeuten immer auch neue Prozesse oder Zuständigkeiten. Fragen zum Change Management sind daher genauso präsent wie solche zur IT-Architektur.
Klassische Vorgehensmodelle im Change Management empfehlen häufig eine klare Abfolge von Schritten und richten sich an das mittlere und höhere Management, das umfangreiche Veränderungen anstoßen möchte. Aber auch im Kleinen, ob nun im Projekt oder der eigenen Abteilung, lässt sich mit einfachen Maßnahmen viel erreichen. Und das Ganze, ohne ein großes Veränderungsprojekt aufzusetzen.
John Kotter hat mit „Leading Change“ ein Standardwerk verfasst, an dem man in Zeiten der Buzzwords „Digitalisierung“ und „Agile Transformation“ kaum vorbeikommt. Keine SAFe-Schulung ohne Referenz auf seine acht Schritte für Veränderungsprozesse; kein IT-Projekt, dem der Begriff „burning plattform“ als Metapher für das Verdeutlichen von Dringlichkeit nicht geläufig ist. (Lesen Sie dazu gerne diesen Artikel.)
Kotters Schritte für ein Change-Projekt sind gut nachvollziehbar und allgemein anerkannt. Das bedeutet gleichzeitig, dass das Framework wenig hinterfragt wird. Dennoch: Es gibt auch Ausnahmen! Wertvolle Ergänzungen – und teilweise auch Widerspruch zu Kotters Ideen – sind im Buch „Switch“ der Brüder Chip und Dan Heath zu finden.
Allen Optimisten missfällt die Grundidee, dass Menschen nur durch Angst ausreichend motiviert werden, schon aufgrund des dahinterliegenden Menschenbildes. Gerade dann, wenn wir auf eine dauerhafte und nachhaltige Verhaltensänderung abzielen, sind attraktive Ziele und Visionen deutlich wirkungsvoller. Sonst haben wir Menschen die Tendenz, sehr schnell wieder in alte Muster zurückzufallen, sobald die kritischsten Probleme gelöst sind oder die Gruppe aufgrund des „Daueralarms“ abstumpft.
Stattdessen schlagen die Brüder Heath vor, die Vision konkret zu fassen und zu kommunizieren. Oder das Umfeld so zu gestalten, dass die gewünschte Verhaltensweise deutlich einfacher und die unerwünschte Verhaltensweise deutlich schwerer, wenn nicht sogar unmöglich wird.
Beispiel: Wenn man erreichen möchte, dass Arbeitszeitbuchungen tagesaktuell erfolgen, wäre es eine gute Idee, im Zeiterfassungstool die tagesaktuelle Buchung durch Vorbelegung des Datums möglichst attraktiv zu machen.
Die wenigsten IT-Projekte haben den Luxus, durch ein vollumfängliches Change Management Programm begleitet zu werden. Sie stehen also vor der Herausforderung, unterstützende Aktivitäten im sinnvollen Umfang auszuwählen: „So viel wie nötig, so wenig wie möglich“ ist dabei häufig der Anspruch. Der Vorschlag, das vollständige Framework nach Kotter anzuwenden, führt dann zu einer Überforderung. Die Motivation, sich überhaupt mit Change Management zu beschäftigen, schwindet.
Während Kotter darauf hinweist, dass die Schritte in seinem Modell vollumfänglich und in der richtigen Reihenfolge durchlaufen werden müssen, liefert „Switch“ einen leichtgewichtigeren Ansatz: Auch wenn in „Switch“ ein großer Blumenstrauß an möglichen Maßnahmen aufgemacht wird, sind diese mehr als Inspiration oder Checkliste gedacht. Sie regen dazu an, in folgenden Bereichen nach den passenden Hebeln für konkrete Herausforderungen zu suchen:
Die Empfehlung aus Switch ist, alle drei Bereiche zu beleuchten und dann zu entscheiden, welche Maßnahmen die gewünschte Veränderung am besten unterstützen könnten: Ein hoch motiviertes Team agiert aktuell wenig zielgerichtet? Wir müssen an der Klarheit des Ziels und den nächsten Schritten arbeiten! Das motivierte Team mit einem klaren Ziel hat immer wieder Konflikte mit dem Umfeld? Welche Rahmenbedingungen können angepasst werden?
Ein weiterer Unterschied zwischen dem Change Management Framework von Kotter zu „Switch“ ist, dass auch Ansätze angeboten werden, die keine formale Machtposition voraussetzen. Eine Methode, um Ansatzpunkte für Veränderung in unserem Einflussbereich zu suchen, heißt „follow the bright spots“:
Die Idee ist, nach positiven Beispielen zu suchen, um daran zu lernen. So z.B. bei der Ablösung eines alten Reporting-Systems: Einzelnen Fachbereiche nutzen schon überwiegend das neue System für ihre Prozesse? Was unterscheidet diese Teams von denen, die noch am Altsystem hängen? Liegt es an einem Trainer, der besonders gute Schulungen gegeben hat? Oder haben sich diese Teams eine Chat-Gruppe eingerichtet, in der sie Tipps zum System austauschen? Mit diesen Erkenntnissen können wir andere Teams optimal vorbereiten, um unsere Erfolge zu wiederholen.
Change Management kann auch „im Kleinen“ ohne ein groß angelegtes Projekt Wirksamkeit entfalten. Wir sollten uns weder von unserer Position noch vom Mangel an Ressourcen davon abhalten lassen, Änderungen anzustoßen. Wenn wir die richtigen Hebel finden, ist auch mit kleinem Einsatz vieles möglich!
Titelbild: Lisa Fotios von Pexels
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