„Errichte Projekte rund um motivierte Individuen. Gib ihnen das Umfeld und die Unterstützung, die sie benötigen und vertraue darauf, dass sie die Aufgabe erledigen“, besagt ein Prinzip im agilen Manifest. Wer sich jetzt auf die Frage stürzt, ob die Individuen motiviert sind oder nicht, befasst sich leider mit dem uninteressanten Teil des Prinzips.
Der interessantere Teil, nämlich das Umfeld und die Unterstützung zu geben, hebt etwas kryptisch die Bedeutung des Vertrauensvorschusses für ein produktives Arbeitsumfeld hervor. Denn Vertrauen entwickelt sich in Spiralen – und zwar in positiven oder negativen. Vertrauen schafft den Raum für Verantwortungsübernahme. Wird Verantwortung übernommen und selbstorganisiert ausgefüllt, bildet dies wiederum die Basis für mehr Vertrauen. Misstrauen hingegen führt zu Resignation und Dienst nach Vorschrift. Das wiederum provoziert mehr Misstrauen und Kontrolle.
Der Vertrauensvorschuss bildet dabei einen wichtigen Schritt, und zwar den Einstieg in die positive Vertrauensspirale. Er sendet zudem eine kraftvolle Du-Botschaft aus: „Ich glaube an deine Fähigkeiten und dein Engagement.“ Das schafft die wertschätzende Atmosphäre, der es wahrscheinlicher macht, dass Menschen Eigeninitiative ergreifen und Vertrauen übernehmen.
Einen Vertrauensvorschuss zu geben bedeutet aber auch Verantwortung zu übergeben, obwohl die notwendige Vertrauensbasis noch nicht da ist. Dies kann ein Gefühl von Kontrollverlust erzeugen. Deshalb ist es wichtig, die Voraussetzung dafür zu schaffen, dass Mitarbeiter:innen selbstständig und sicher ihre Aufgaben erledigen können. Die müssen dafür genau wissen, was das die Ziele und Aufgaben sind, für die sie Verantwortung übernehmen sollen (organisatorische Klarheit). Außerdem müssen sie die Fähigkeiten, das Wissen und die Werkzeuge haben, die sie dafür brauchen (technische Kompetenz).
Eine weitere Möglichkeit, das Gefühl von Kontrollverlust zu lindern, ist das Einrichten konstruktiver Qualitätskontrollen. Hierbei ist es wichtig, dass die Qualitätskontrollen nicht als Misstrauensmaßnahme verstanden werden, indem sie die Sachebene betonen. Einige agile Gestaltungselemente zahlen darauf ein: Reviews und Retrospektiven schaffen einen formalen Rahmen, um (durchaus wiederholt) über Anforderungen und Qualitätskriterien zu sprechen und dadurch das gemeinsame Verständnis zu schärfen. Mit Blick nach vorn können hier auch auf kooperative Weise Maßnahmen zur Qualitätssteigerung und Lösungen für Probleme entworfen werden. Ein iteratives Vorgehen erleichtert dabei den Blick nach vorn, weil das Risiko von Fehlern und Missverständnissen durch die Iterationslänge begrenzt wird.