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Xenium

Agiles Requirements­ Engineering­ für einen Online-Vertriebs­kanal

Digitalisierung
16.12.2020
Ein Parkplatz aus der Vogelperspektive

Wie gelang die Einführung­ eines Online-Sales-Channels im Automotive-Bereich, der Hand in Hand mit dem stationären­ Vertrieb geht? Und was war bei der gleich­zeitigen Einführung­ agiler Methoden in einem wasserfall­geprägten Umfeld wesentlich­ für den Erfolg?

Case Study

Für den Fahrzeug­vertrieb unseres Kunden sollte zentral ein neuer Online-Marktplatz entwickelt­ werden, der in ganz Europa ausgerollt­ und in den Ländern von den lokalen Vertriebs­organisationen betrieben wird. Dazu wurde ein Programm auf­gesetzt, das die Funktionen Strategie, Fach­konzeption, IT, Legal, Vertrieb, Training und Financial Services abdeckt. Der Pilot­betrieb sollte innerhalb eines Jahres starten.

Da das Geschäfts­modell durch die Zusammen­arbeit verschiedener­ Unternehmens­funktionen erarbeitet­ werden musste und man die üblichen langen Konzeptions­phasen vermeiden wollte, sollte gleichzeitig agiles Arbeiten eingeführt werden.

Vielfältige Heraus­forderungen

Eine erste Heraus­forderung bestand darin, die unterschiedlichen­ Sichten der zentralen Organisations­einheiten zusammen­zuführen, gleich­zeitig den Pilot­markt zu involvieren­ und dabei den Scope auf einen von der Entwicklung­ leist­baren Umfang zu beschränken­. Die neuen digitalisierten­ Prozess­anteile mussten zudem in Einklang gebracht werden mit den weiterhin analogen Anteilen in den Auto­häusern.

Für den Go-Live des Piloten mussten innerhalb kurzer Zeit die beteiligten­ Systeme in der Zentrale koordiniert­ und eine fachliche Abnahme durch den Pilot­markt herbei­geführt werden. Der Betrieb im Pilotmarkt zeigte schnell auf, dass die Daten- und Prozess­qualität der bestehenden­ Daten­versorgungs­systeme den Anforderungen­ an einen internationalen­ Rollout und Betrieb nicht genügen würde. Um dieser Erkenntnis­ zu begegnen, sollte ein neues Daten­versorgungs­system entwickelt­ werden. Um diese Änderung zu stemmen, fiel die Entscheidung­, die cross-funktionale Projekt­gruppe auf ein neues Zusammen­arbeits­modell auf Basis von SAFe® zu setzen.

Unser Beitrag

Xenium übernahm kurz nach Programm­beginn die Fach­konzeption und das Requirements­ Engineering­. In der frühen Phase entwickelte­ unser Projekt­team zusammen mit dem Business Owner ein neues Modell für die iterative Abstimmung­ des Scopes und der Ausrichtung­ der zahl­reichen Stake­holder auf eine gemeinsame­ Vision. Diese stellte ein in kurzen Zyklen geliefertes­ Spezifikations­dokument auf Basis von Use Cases dar – eine Weiter­entwicklung der etablierten­ Wasserfall-basierten Ergebnis­typen hin zu einem Format, das ein agileres Vorgehen unter­stützen sollte. Über die Zeit entwickelten­ wir zudem weitere Kommunikations­formate für die Customer Journey, um den Informations­bedürfnissen der verschiedenen­ Adressaten­ gerecht zu werden. So entstanden:

  • für die Vertriebs­organisationen ein klick­bares Flow Chart;

  • für die Rechts­abteilung eine schriftliche­ Kurz­fassung, strikt getrennt nach Kunden- und Händler­aktivitäten;

  • für den Entwicklungs­dienstleister Akzeptanz­kriterien für die Umsetzung von Use Cases – inklusive fachlich kohärenter „Slices“, die inkrementell­ entwickelt und getestet werden konnten.

Nach etwa einem Jahr Konzeption und Entwicklung­ konnte der Pilot­betrieb begonnen werden. Xenium übernahm hier die Kommunikation­ der fachlich und technisch bedingten Änderungen­ im Pilotmarkt und stand als Ansprech­partner für Fragen und Anliegen zur Verfügung. Gleich­zeitig sicherten wir die methodische­ und inhaltliche­ Qualität der Abnahme­tests. Hierzu moderierten­ wir die neu einge­führten Test-Retrospektiven­, welche die System Owner für einen konstruktiven­ Austausch zusammen­brachten. Wir erstellten­ die Test Objectives­ für den operativen­ Test und bildeten den zentralen Ansprech­partner für Reviews der Testfälle sowie die Abstimmung­ von Test­ergebnissen.

Mit den Erkenntnissen­ aus dem Pilot­betrieb und der Umstellung­ auf das SAFe®-basierte Vorgehen übernahm Xenium das Product Ownership für das neu geschaffene Requirements-Team, das die Expertise für Requirements­ Engineering­, Produkt­daten­expertise, und Know-how der Vertriebs­organisationen bündelte. Um die verbliebenen­ Anforderungen­ aus dem vorher­gehenden Arbeits­modell nicht zu verlieren, entwickelten­ wir gemeinsam mit dem Product Management­ einen Ideation-Prozess, der den Anforderungs­stellern die Konkretisierung­ ihrer Ideen hin zur Umsetzungs­planung und -gestaltung transparent­ und nach­vollziehbar machen sollte. Mit der Ablösung der zuvor not­wendigen Spezifikation­ des Gesamt­prozesses durch ein sukzessiv fort­geschriebenes Programm-Backlog blieb ein letzter wichtiger Meilen­stein: die Umstellung­ der ehemaligen­ Spezifikation­ (was sollte das Produkt tun) auf eine Dokumentation­ (was tut das Produkt tatsächlich­) mit dem zugehörigen­ Fortschreibungs­prozess parallel zur Entwicklung­.

Neben der Vertrautheit­ mit klassischen­ und agilen Methoden konnte in diesem Fall auch unsere lang­jährige Vertrautheit­ mit den kulturellen­ Eigen­arten dieses komplexen Projekt­umfelds einen wichtigen Beitrag für den großen Change-Prozess leisten, den die Gesamt­organisation im Verlauf dieses Projektes durchlief. Es ist immer wieder spannend zu erleben, wie wichtig es ist, die Bedürfnisse­ der Organisationen­ und die Unterschied­lich­keiten ihrer Einheiten zu respektieren­ und einen konstruktiven­ Zugang zu finden, der eine fruchtbare­ Zusammen­arbeit fördert.

Eine gelungene Digitalisierung­ mit nach­haltiger Wirkung

Das Ergebnis auf den ersten Blick: Eine gelungene­ Digitalisierung­ des Fahrzeug­verkaufs durch einen funktionierenden­ Online-Store mit einer modernen, am Anwendungs­fall orientierten­ Daten­versorgung.

Tatsächlich­ wurde in dem Projekt aber noch viel mehr erreicht, wenngleich weniger offen­sichtlich: Eine Reihe von neuen Formaten, Methoden und Tools, um eine engere, agilere Zusammen­arbeit auch für die Weiter­entwicklung und zukünftige Projekte zu etablieren:

  • Ein Mix aus verschiedenen­ Formaten, welche die Customer Journey adressaten­gerecht aufbereiten­, inklusive einer nach­vollzieh­baren Umstellung von klassischen, Wasserfall-basierten Anforderungs­dokumenten auf moderne, der agileren Arbeits­weise gerecht werdende Formate.

  • Neue Formen für die bereichs­übergreifende Zusammen­arbeit, sei es im Requirements­ Engineering­ oder im Ende-zu-Ende-Test.

  • Ein leicht­gewichtiger Ideation-Prozess, der Stake­holder besser involviert und eine Nach­voll­zieh­bar­keit der Umsetzung­ von Ideen in konkrete Anforderungen­ ermöglicht.

  • Ein etabliertes­ Vorgehen und ein Format zur Erstellung­ einer aktuellen System­dokumentation parallel zum Entwicklungs­prozess, welche das tatsächliche­ System­verhalten abbildet.


Titelbild: Ryan Searle von Unsplash