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Altsystem-Ablöse - So gelingt die Anbieterauswahl

Der Prozess für die Anbieterauswahl ist wenig überraschend: In der Regel startet man mit der Anforderungsaufnahme, führt eine Marktrecherche durch, bildet daraus eine Long-list, die zur Short-list verkürzt wird und trifft dann die Entscheidung.  

Wie so häufig steckt aber der Teufel im Detail.

Die richtige Flughöhe für die Anforderungsaufnahme  

Zu Beginn müssen die Anforderungen an das neue System aufgenommen und sinnvoll strukturiert werden. Die Anforderungsaufnahme darf sich dabei nicht im Klein-Klein bewegen, sondern muss die richtige Flughöhe für den Vergleich der potenziellen Systeme bieten: Verständlich für die Lösungsanbieter, die zeigen sollten, wie sie die Anforderungen erfüllen können. Spezifisch genug, um sicherzugehen, dass kritische Funktionen, die für den USP des Kunden essenziell sind, auch umgesetzt werden können. 

Sind die Anforderungen zu detailliert, schränken sie den Lösungsraum der Anbieter ein. Neue Ideen für Umsetzungen werden so ausgeschlossen und die Chancen, die sich bei der Einführung eines neuen Systems ergeben, können nicht genutzt werden. 

Wer beispielsweise vorgibt, in welchen manuellen Schritten genau die Rechnungsprüfung erfolgen soll, tut sich in der Folge schwer, wenn ein Anbieter hier KI-Methoden oder abweichende, aber etablierte Standard-Prozesse vorschlagen will. 

Funktionale Anforderungen sind nicht ausreichend 

Neben der funktionalen Perspektive und den initialen Einführungskosten sollten aber auch Aspekte wie Implementierungspartner, Einbindungsmöglichkeiten in die bestehende IT-Landschaft und Betriebskosten beachtet werden. 

Ein häufig unterschätzter Aspekt ist die Roadmap für die gesamte IT-Landschaft und die Strategie für die Weiterentwicklung der Unternehmens-IT. Häufig stellen sich gerade bei einer Altsystem-Ablöse Fragen, vor deren Beantwortung man sich bisher gedrückt hat:  

Setzen wir vollständig auf Cloud-Lösungen, oder sind auch On-Premise-Systeme eine Option? Wenn ja, unter welchen Umständen? Welche der anderen Kernsysteme werden auch mittelfristig weitergeführt und müssen eine gute Integration mit dem neuen System erhalten? Auf welche Technologien wollen wir in Zukunft setzen? 

Aus diesem Grund lohnt es sich, vor größeren Anpassungen in der Systemlandschaft die IT-Strategie zu prüfen und zu schärfen. 

Der Entscheidungsprozess 

Und wie kommt man dann zur Entscheidung? Nach einer Marktrecherche entsteht eine Long-list, die anhand der aufgenommenen Anforderungen zu einer Short-list wird. Selten zeigt sich aber rein auf Papier- & Recherchelage direkt ein klarer Gewinner. 

Für die Bewertung der Short-list sind daher ausführliche Pitches der Lösungsanbietern das Mittel der Wahl.  

Einer unserer Kollegen hatte zum Beispiel die Top-3 in kurz hintereinander vor den Entscheidern präsentieren lassen. Nach jeder Präsentation konnten die Entscheider Punkte in verschiedenen Kategorien vergeben: 

  • Anforderungsabdeckung in ihrem Bereich 

  • Einschätzung zur Bedienoberfläche / UI 

  • Releasekonzept & Vorgehensweise des Anbieters 

  • Vertrauen in die Kompetenz & Leistungsfähigkeit des Anbieters 

  • Eindruck vom Pitch, insbesondere das Eingehen auf die individuelle Kundensituation 

  • Roadmap / Innovationskraft des Anbieters 

Am Ende der Pitches war die Entscheidung gefallen, denn alle Entscheider waren involviert und konnten ihre Bewertung abgeben. 

Was so selbstverständlich wirkt, ist nicht immer der Fall: Es folgen Rückfragen, da die Anbieter kein ausreichendes Briefing erhalten haben, weitere Entscheidungsträger treten auf den Plan oder die Priorisierung der Anforderungen wird noch mal diskutiert. Bei guter Vorbereitung ist das nicht notwendig! 

Bonustipp bei gesetzten Anbietern & Produkten 

Nicht immer ist der Lösungsraum für ein Nachfolgesystem weit offen. Manchmal sind Anbieter oder Produkte als Rahmenbedingungen gesetzt. Aber auch hier empfehlen wir die Entscheidungsgrundlage für das neue System nachvollziehbar zu dokumentieren, um für spätere Nachfragen vorbereitet zu sein.  

Denn: Läuft später im Projekt etwas nicht nach Plan - und darauf kann man sich in der Regel verlassen - kommen die Zweifler und bohren nach, warum man sich denn für dieses "völlig ungeeignete" System entschieden hat. Da hilft es ungemein, wenn klar ist, dass die Entscheidung auf nachvollziehbaren Fakten erfolgt ist und alle notwendigen Entscheider einbezogen wurden. Zusätzlich ist eine solche Übung auch genau deshalb hilfreich, da man gezwungen ist, alle für die Entscheidung relevanten Aspekte mindestens kurz zu beleuchten. 

Ob die Anbieterauswahl klar und eindeutig ausfällt oder sich zäh gestaltet: Der Aufwand lohnt sich, denn ein guter Match des IT-Systems zu den eigenen Anforderungen ist extrem wertvoll. Hat man diesen gefunden, beginnt die eigentliche Ablösung. Und die nächsten Herausforderungen warten!